KreativLand BW
Zahlen, Daten, Fakten bilden eine wichtige Säule bei der Erstellung der Branchenstudie. Der andere wesentliche Teil ist die Praxis vor Ort. Die MFG Baden-Württemberg lud im Auftrag des Ministeriums für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg Mitarbeitende von Kommunen, Landkreisen und Verwaltungen, Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft und weiterer Branchen, Vertreter*innen aus Politik und Regionalentwicklung sowie alle Interessierten zu einem offenen Dialog ein.
Zwei Dialogveranstaltungen im Mai und Juni 2023 boten die Möglichkeit für Inspiration und Impulse. Kreative wie Forschende informierten während der Veranstaltungen über Fakten und Möglichkeiten der Kultur- und Kreativwirtschaftsbranche in ländlichen Räumen. Im Anschluss konnten die Teilnehmer*innen erste Ergebnisse der Studie mit der Praxis abgleichen und Handlungsempfehlungen für zielgerichtete, zukünftige Fördermaßnahmen entwickeln.
Tina Eberhardt
Inhaberin Aprinum Kommunikation und Mitgründerin des Kreativnetzwerkes Werk.Stadt.Schwarzwald, Freudenstadt
Minister Peter Hauk nahm an der KreativLand BW Dialogveranstaltung am 23.6.2023 in Offenburg teil. Er ist Mitglied des Landtags von Baden-Württemberg und Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz.
Was verbinden Sie mit der Kultur- und Kreativwirtschaft? Wo und wie begegnet Sie Ihnen?
Diese Branche mit ihren elf Teilbranchen ist einer der dynamischsten Zweige unserer Wirtschaft. Ich verbinde diese Branche mit ihrem enormen Potenzial als wichtigen Faktor für die nachhaltige Entwicklung und Zukunftsfähigkeit unserer ländlichen Regionen.
Wo sehen Sie die Potenziale der Kreativwirtschaft im Ländlichen Raum?
Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist in unserem Alltag beruflich wie privat bereits fest verankert. Ebenso ist die Kreativbranche bereits fester Bestandteil der Wirtschaftskraft ländlicher Räume. Insofern kann der Kreativsektor Pionier für gesamtgesellschaftliche Trends sein, und wie alle starken Wirtschaftszweige auch die lokale Wirtschaft stärken sowie zur innovativen Standortentwicklung beitragen.
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten: Was würden Sie sich für die Kultur- und Kreativschaffenden im Ländlichen Raum wünschen?
Die Assoziation der Kultur- und Kreativwirtschaft mit städtischer Kultur trägt zu einem Wahrnehmungsdefizit der Branche im Ländlichen Raum bei. Eine stärkere Sichtbarmachung der Kreativen ist deshalb ein erklärtes Ziel des Projekts KreativLand BW.
Das Interview führte Nina Kwiatkowski.
Franziska Freihart nahm an der KreativLand BW Dialogveranstaltung am 23.6.2023 in Offenburg teil. Sie ist Referentin beim Städtetag Baden-Württemberg. Als solche verantwortet sie die Themen Kultur, kommunale Entwicklungspolitik, Tourismus und nachhaltige Beschaffung sowie Bürgerengagement.
Wo sehen Sie die Potenziale der Kreativwirtschaft im Ländlichen Raum?
Durch eine florierende Kreativwirtschaft kann ein Standort attraktiver werden. Und zwar nicht nur für Tourist*innen, sondern insgesamt für die Gesellschaft – Stichwort Zuzug. Das wiederum kann positive Effekte auf den Fachkräftemangel etc. haben. Auch zur Innenstadtbelebung selbst kann die Kreativwirtschaft einiges beitragen. Momentan haben auch ländliche Räume und Kleinstädte ein großes Problem, ihre Innenstädte für die Gesellschaft attraktiv zu halten. Durch ein gutes Kulturangebot hingegen, können Menschen in die Stadt gelockt werden, was dann auch wieder einen positiven Effekt auf die lokale Wirtschaft haben kann.
Wo die Herausforderungen?
Die größte Herausforderung sehe ich natürlich in der Finanzierung. Kultur ist keine Pflichtaufgabe der Verwaltung, was dazu führt, dass sich Prioritäten verschieben. Nichtdestotrotz bin ich davon überzeugt, dass Städte und Gemeinden durchaus von den Vorteilen und Potenzialen wissen, und demnach dennoch ein gewisses Angebot zur Verfügung steht.
Was braucht die Kultur- und Kreativwirtschaft im Ländlichen Raum in Ihren Augen?
Verlässliche Strukturen und vor allem eine strukturelle Förderung. Projektforderungen können selbstverständlich einiges bewirken, allerdings mangelt es häufig an einer nachhaltigen Finanzierung, weshalb nach Projektende hier angesetzt werden müsste.
Das Interview führte Nina Kwiatkowski.
Dejan Micic nahm an der Dialogveranstaltung am 8.5.2023 in Rottweil teil. Er ist seit 2021 Wirtschaftsförderer der Stadt Horb am Neckar. Sein Tätigkeitsfeld umfasst unter anderem die Ansiedlung von Betrieben, Gründungsförderung, Standortmarketing sowie Clustermanagement.
Herr Micic, welche Rolle spielen die Kreativen in Ihrer Stadt?
Ich kannte die Horber Kultur- und Kunstlandschaft noch bevor ich dort mit meiner Tätigkeit begann – die in Horb ansässige Kunst- und Kulturszene ist nämlich weit über die Tore der Stadt bekannt. Das setzt Impulse frei: Im gesellschaftlichen Leben und Dialog spielen die Kultur- und Kreativwirtschaft eine enorm wichtige Rolle. Aber auch viele junge, kreative Köpfe bleiben deshalb in Horb, und das ist aus Perspektive der Wirtschaftsförderung der Stadt relevant.
Was bietet die Kreativwirtschaft hinsichtlich der Standortentwicklung für Horb?
Die Stadt Horb hatte bisher eine hohe Leerstandsquote von knapp 20 Prozent. Wir haben daher ein Manufakturen-Konzept entwickelt, um diese Leerständen zu überwinden. Es war klar: In diese leerstehenden, kleinen Altbauflächen mit Charme muss etwas Authentisches einziehen, etwas Individuelles. So kamen wir zu den Manufakturen. Inzwischen konnten wir schon einigen ein Zuhause bieten und möchten hier künftig enger mit unserer französischen Partnerstadt zusammenarbeiten, da beispielsweise das Kunsthandwerk dort eine ganz andere Wertschätzung erlebt. So entsteht insgesamt ein fruchtbarer Austausch mit neuen Impulsen – der auch aus Sicht des Tourismus immer interessanter wird.
Was braucht die Kultur- und Kreativwirtschaft im Ländlichen Raum in Ihren Augen? Wie kann man diese fördern?
Ich denke, was wir dahingehend als Stadt machen können, ist tatsächlich eher überschaubar. Wichtig ist allerdings, dass die Kreativschaffenden das Gefühl haben, willkommen zu sein, dass ihre Arbeit wertgeschätzt wird – und dass Räume zur Interaktion vorhanden sind. Wir als Wirtschaftsförderung können hier unterstützen, indem wir verbinden. Bald stellen wir als Stadtverwaltung auch einen Kulturmanager ein, welcher ausschließlich diese Schnittstellenfunktion innehaben wird.
Gibt es für Sie Highlights oder neue Erkenntnisse aus der KreativLand-BW-Studie?
Ja, absolut! Nämlich, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft im Ländlichen Raum knapp zwei Milliarden Euro an Wertschöpfung erzielt. Das ist auch der Grund, warum ich hier bei der Dialogveranstaltung in Rottweil bin: Bei der Kreativwirtschaft geht es nicht nur ums Kreative, sondern es steckt auch das Wort „Wirtschaft“ drin – und die Umsatzzahl von 1,8 Milliarden spricht da für sich. Klar, mancher Industriebetrieb erwirtschaftet das für sich allein, aber in der Summe ist die Kreativwirtschaft ein durchaus relevanter Faktor.
Das Interview führte Nina Kwiatkowski.
Rückblick Video Dialogveranstaltung Rottweil
Fotos Dialogveranstaltung Rottweil
Rückblick Video Dialogveranstaltung Offenburg
Fotos Dialogveranstaltung Offenburg
Projektleiterin Unternehmensentwicklung
Unit Kultur- und Kreativwirtschaft
KreativLand BW ist eine Studie und ein Dialogprozess für die Kultur- und Kreativwirtschaft in ländlichen Räumen von Baden-Württemberg. Das Projekt wird von der MFG Baden-Württemberg getragen und durch das Ministerium für Ernährung, Ländlicher Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg gefördert.